Neuausrichtung des Amtes des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Gewalt gegen Kinder nimmt zu. Das belegen die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik für 2020, die der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Johannes Rörig mit folgenden Worten kommentierte: „Hinter diesen Zahlen (…) steht zehntausendfaches Leid von betroffenen Kindern und Jugendlichen. Unbeschreiblicher Schmerz, Ohnmacht, Ekel und Angst.“ In der Berichterstattung stand vor allem die Zunahme sexualisierter Gewalt im Vordergrund. „Diese ins Visier zu nehmen, ist richtig und wichtig“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Kindervereins Rainer Rettinger. Doch dürften auch andere Formen körperlicher und seelischer Gewalt gegen Kinder nicht vernachlässigt werden, mahnt Rettinger. Jeden Tag werden in Deutschland Babies geschüttelt, Kinder gewürgt oder nackt auf die heiße Herdplatte gesetzt. Sie werden nicht gewickelt, sie werden eingesperrt, man lässt sie hungern. Für Kinder, die solches Leid erfahren, gibt es bislang keine*n staatliche*n Fürsprecher*in.

Wollen Sie sich dafür stark machen, dass das Amt des Unabhängigen Beauftragten neben sexuellem Kindesmissbrauch künftig auch physische und psychische Gewalt gegen Kinder ins Visier nimmt?

DIE LINKE: Das Aufgabengebiet des unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauches hat sich aus der historischen Notwendigkeit heraus entwickelt und weiterentwickelt. Ein Schwerpunkt lag in dem Bereich des sexuellen Missbrauches von Kindern, für die der Staat im Rahmen des staatlichen Wächteramtes Sorge und Verantwortung übernommen hatte. Der derzeitige Beauftragte hat sich bislang entsprechend seiner Ressourcen darüber hinaus aktuellen Themen und Kampagnen angenommen. Als LINKE unterstützen wir diese gelebte Unabhängigkeit.

Einführung des Pflichtfachs „Kinderschutz“

Jugendämter, Familiengerichte, Arztpraxen, Schulen, Kitas – in all diesen Bereichen arbeiten Menschen mit Kindern und Jugendlichen, die sexualisierte, physische oder psychische Gewalt erfahren haben. Doch diese Berufsgruppen wurden in ihrem Studium oder ihrer Ausbildung in Sachen Kinderschutz kaum oder gar nicht qualifiziert. Wie erkenne ich, ob einem Kind Gewalt angetan wurde? Was ist das dringendste Bedürfnis eines solchen Kindes? Wie kommuniziere ich mit einem Kind, dem Gewalt angetan wurde? Das sind Fragen, in denen diese Berufsgruppen aus Sicht des Deutschen Kindervereins dringend qualifiziert werden müssten.

Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass in der Erzieherausbildung, im Studium Soziale Arbeit, in der Pädagogik/Erziehungswissenschaft, in der Ausbildung für das Familiengericht, im Psychologiestudium, in der Ausbildung von Kinderärzten, Verfahrensbeiständen und Sachverständigen „Kinderschutz“ als Pflichtfach eingeführt wird?

DIE LINKE: Das Thema Kinderschutz hat nach Auffassung der LINKEN wichtiger Bestandteil in den diversen Ausbildungs- und Studiengängen zu sein, in deren Berufsfeldern eng mit Kindern gearbeitet wird. Ob ein Pflichtfach „Kinderschutz“ für all diese Ausbildungs- und Studiengänge die richtige Lösung ist, muss individuell geprüft werden.

Bessere Ausstattung der Jugendämter

Auch schon vor der Pandemie arbeiteten die Jugendämter in Deutschland am Limit. Zu wenig Personal für zu viele Fälle, zu wenige Dienstfahrzeuge, kaum Diensthandys. Im Zuge der Corona-Lockdowns sind diese strukturellen Mängel in den vergangenen Monaten nochmal verschärft zutage getreten.

Wollen Sie sich angesichts der Verantwortung des Staates, Kinder und Jugendliche in unserem Land vor Gewalt zu schützen, für die dringend benötigte bessere Ausstattung der Jugendämter in puncto Personalstärke, Digitalisierung und Mobilität einsetzen?

DIE LINKE: DIE LINKE steht seit Jahren in direktem Austausch mit vielen Beschäftigten in den Jugendämtern und beobachtet die Situation in mit großer Sorge. Hier braucht es dringend mehr gut ausgebildetes und motiviertes Personal, welches längerfristig bleibt. Kinderschutz braucht Vertrauen, Vertrauen erfordert Kontinuität und Verlässlichkeit! Die personelle Diskontinuität ist vielerorts so groß, dass der Kontakt zu Familien und in die Sozialräume ernsthaft geschädigt ist. Das beste Kinderschutzgesetz ist nutzlos, wenn Jugendämter nur eingeschränkt arbeitsfähig sind oder den Kontakt ins Feld verloren haben. Als LINKE setzen wir uns seit langem für eine bessere Ausstattung der Jugendämter ein. Neben der materiellen Ausstattung müssen die Beschäftigen mehr Anerkennung für ihre anspruchsvolle und schwierige Tätigkeiten erhalten. DIE LINKE wird sich daher auch weiterhin für gute Arbeitsbedingungen und bessere Entlohnung in der sozialen Arbeit sowie Kinder- und Jugendhilfe einsetzen.