Deutscher Kinderverein e.V. mahnt Konsequenzen aus Freiburger Missbrauchsfall an

Mit den Urteilen im Staufener Missbrauchsprozess mag der Skandal um das langjährige Martyrium eines neunjährigen Jungen juristisch abgeschlossen sein. Die entscheidende Frage, warum unser Jugendschutz inklusive Familiengericht, von dem das Opfer wieder in die Missbrauchsqualen zurückgeschickt wurde, so eklatant versagt hat, gilt es nun aufzuarbeiten. Der Deutsche Kinderverein e.V., der sich bundesweit gegen Misshandlung, Missbrauch und für Kinderrechte einsetzt, hatte bereits Strafantrag gestellt gegen die beteiligten Behördenvertreter wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie gegen die mit dem Fall befassten Richter wegen des Verdachts der Rechtsbeugung bzw. der fahrlässigen Körperverletzung. „Warum zwei Gerichte trotz Warnungen von Polizei und Jugendamt das Opfer zurück in die Familie geschickt haben, muss geklärt werden“, sagt Rainer Rettinger, der Geschäftsführer des Vereins.

„Der Staat war nicht Vater, nicht Mutter und auch nicht Vormund, sondern ein Versager“, schrieb der stellvertretende Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, in seinem Kommentar zu den Urteilen am 7. August. Der Staat hätte das Kind vor seinen Eltern schützen müssen. „Den Vorwurf Prantls, dass zuständige Behörden wie Jugendfürsorge, Staatsanwaltschaft und Gerichte ungenügend zusammengearbeitet haben können wir nur unterstreichen“, erklärt Rainer Rettinger. Seit Jahren fordert der Verein eine spezifischere Ausbildung von Jugendarbeitern, Familienrichtern und Kinderärzten. Zudem stehe in Deutschland noch immer eine Zertifizierung mit einheitlichen Qualitätsrichtlinien für die Institutionen des Kinder- und Jugendschutzes aus.

„Es bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg einen Untersuchungsausschuss einsetzt, so wie ihn auch Heribert Prantl fordert“, so Rettinger weiter. Aber er muss mit externen Experten besetzt werden, so Rettinger weiter. Das Oberlandesgericht Karlsruhe will nach der Sommerpause Ergebnisse einer Prüfgruppe vorlegen, auch die Landesregierung hat eine Arbeitsgruppe aus unterschiedlichen Ministerien eingesetzt. „Das gemeinschaftliche Versagen aller Instanzen muss durchleuchtet werden. Die Strukturen, die diese Katastrophe zugelassen haben müssen so geändert werden, dass der Staat seinem Schutzauftrag gerecht wird“, erklärt Rainer Rettinger.