Gelsenkirchener Skandal weitet sich aus
Der Deutsche Kinderverein fordert dringend eine valide Evaluation von Jugendhilfemaßnahmen in Deutschland. Diese Forderung stellte der Deutsche Kinderverein mit Sitz in Essen auch im Gespräch mit der Familienministerin Manuela Schwesig am 19. März im Berliner Familienministerium.
563 Jugendämter und weit mehr freie Träger in Deutschland unterliegen keiner Kontrollinstanz, so Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Vereins. Wie notwendig sie sind, zeigt der Skandal um die beiden Gelsenkirchener Jugendamtsleiter, in die laut WDR auch der Deutsche Kinderschutzbund Gelsenkirchen verwickelt sein soll. „Es darf nicht sein, dass es erheblichen Ermessensspielraum für Jugendamtsmitarbeiter gibt und alle in Deutschland unterschiedlich arbeiten, ohne einheitliche Standards und Verfahren. Dies gilt in gleichem Maße für freie Träger in Deutschland. „Auch deshalb haben wir auch einen Vorschlag zur Qualifizierung und Verifizierung von Jugendämtern und freien Trägern in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland der Ministerin und ihren Referentinnen übergeben“, so Rettinger.
Diese Forderung unterstützt auch der renommierte Rechtsmediziner der Charité und Botschafter des Deutschen Kindervereins Prof. Dr. Michael Tsokos. So fordert er in seinem Buch „Deutschland misshandelt seine Kinder“ die Kontrolle der Kontrolleure. Mehrfach wird in dem Buch über Kinder berichtet, die angeblich intensiv „beobachtet“ und „betreut“ wurden und gleichwohl schwerstgeschädigt wurden oder sogar zu Tode gekommen sind. „Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Institutionen, die vorgeben, sich für das Wohl von Kindern einzusetzen, mit dem Leid der Schwächsten Geld verdienen. Der Sumpf, der sich in Gelsenkirchen auftut, ist nur die Spitze des Eisberges“, so Prof. Dr. Tsokos.
Auch die ARD machte im Januar auf dieses Thema in der Reportage „Mit Kindern Kasse machen“ aufmerksam, dass, wenn junge Menschen über Missstände in ihren Einrichtungen klagen, ihnen wenig Gehör geschenkt wird. So gerät das Heer der freien Jugendhilfeträger – darunter Privatunternehmer, Verbände, gemeinnützige Vereine – selten ins Blickfeld. Nicht allen, so die Autoren Nicole Rosenbach und Anna Osius, geht es allein um das Wohl der anvertrauten Kinder. Längst ist die Jugendhilfe auch ein großes Geschäft geworden.
„Uns geht es nicht um eine pauschale Verurteilung von Jugendämtern und freien Trägern, aber Kinder dürfen niemals Grundlage für lukrative Geschäfte sein. Wir alle sind in der Verpflichtung Kinder zu schützen“, so Rainer Rettinger.