Hirnblutungen, Epilepsie und lebenslange Behinderungen: wird ein Säugling nur wenige Sekunden geschüttelt, kann das massive Folgen für das ganze Leben des Kindes haben. Mehr als ein Fünftel der jährlich 200 betroffenen Säuglinge überlebt das Schütteln nicht – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein.
Was hilft, ist Aufklärung. Dass sich diese Erkenntnis derzeit langsam unter Kinderschützern und Politikern durchsetzt, zeigen gleich drei Kampagnen. Das stößt beim Deutschen Kinderverein e.V. auf Unverständnis. „Immer wieder wird die Vernetzung von Kinderschützern gefordert, die Bündelung von medizinischen und kommunikativen Expertenwissen“, sagt der Geschäftsführer des Vereins, Rainer Rettinger. „Drei unterschiedliche Kampagnen, drei unterschiedliche Organisationen. Das hat fast schon einen konkurrierenden Charakter“, so Rettinger weiter.
Im Sommer stellte der Deutsche Kinderverein gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Tsokos, Rechtsmediziner an der Berliner Charité, dem Sänger Andreas Bourani und Falko Liecke, Stadtrat für Jugend und Gesundheit in Berlin die bundesweite Kampagne „Schreien kann nerven. Schütteln kann töten.“ vor. Die Kampagne bedient alle Informationskanäle, zudem plant der Verein eine Hotline, die mit 24-stündiger Erreichbarkeit überforderte Eltern akut beraten und Auskunft über einen Kinderarzt oder eine Schreiambulanz in der Nähe geben soll.
Mit 800.000 Euro produzieren das Bundesfamilienministerium und das Nationale Zentrum Frühe Hilfen als „Bündnis gegen Schütteltrauma“ derzeit Flyer, Plakate, eine Webseite und einem Spot. Am 12. Dezember 2017 wurde nun eine weitere Kampagne zum Schütteltrauma vorgestellt, Absender sind diesmal die Rechtsmedizinerin Dr. med. Dragana Seifert, Universitätsklinikum Hamburg, und die API Kinder- und Jugendstiftung. Unter dem Hashtag „#schüttelntötet“ soll eine Plakat-, Kino – und Online-Kampagne gestartet werden.
„Würde man die ohnehin zu geringen Mittel, die zur Verfügung stehen bündeln, könnte eine wirklich bundesweite Kampagne gelingen, die alle erreicht“, ist sich Rainer Rettinger sicher. Die Aufklärung müsse bereits in den Geburtsvorbereitungskursen beginnen, da vielen Eltern die gefährlichen Folgen des Schüttelns nicht bewusst seien. Entsprechend breit müsse die Kampagne angelegt sein. Es braucht dringend eine landesweit, unverzagte Kampagne zum Schutz vor Gewalt an Kindern. Doch hier scheint der klare, politische Wille zu fehlen. „Nur wenn alle Akteure an einem Strang ziehen und das Expertenwissen gebündelt wird, kann Aufklärung zum Schütteltrauma wirklich etwas bewegen“, so Prof. Dr. Michael Tsokos, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin.