Im Vorfeld der Bundestagswahl hat der Deutsche Kinderverein e.V. den demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag drei Fragen zum Thema Kinderschutz gestellt. Alle Parteien – Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU – haben geantwortet. Als Wahlprüfsteine für die Bundestagswahl haben wir die Antworten für Sie ausgewertet:

  1. Neuausrichtung des Amtes des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Wollen Sie sich dafür stark machen, dass das Amt des Unabhängigen Beauftragten neben sexuellem Kindesmissbrauch künftig auch physische und psychische Gewalt gegen Kinder ins Visier nimmt?

Die SPD positioniert sich klar dagegen, das Amt des Unabhängigen Beauftragten „vorschnell auszuweiten“. Sie plädiert zunächst für eine Stärkung des Amtes in der jetzigen Form und für eine Nationale Strategie gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder sowie die Schaffung entsprechender Strukturen auch auf Länderebene. Sie fordert eine gesetzliche Verankerung des Amtes vergleichbar dem des Datenschutzbeauftragten. Letzteres ist auch die Absicht von Bündnis90/Die Grünen. Die FDP antwortet wortreich, aber sehr vage. Auch die Linke bezieht nicht direkt Stellung. Lediglich die CDU spricht sich dafür aus, den Aufgabenbereich des Unabhängigen Beauftragten intensiv zu erörtern. Es sei unbestritten, „dass neben sexuellem Missbrauch auch physische und psychische Gewalt einen großen Schaden in Kinderseelen anrichtet“.

Der Deutsche Kinderverein fordert eine Ausweitung des Amtes auf alle Formen von Gewalt. „Das Leid, das Kindern und Jugendlichen durch jedwede Form von Gewalt angetan wird, ist unermesslich, ganz gleich ob es sich um sexualisierte oder andere Arten physischer oder psychischer Gewalt handelt“, sagt Geschäftsführer Rainer Rettinger.

  1. Einführung des Pflichtfachs „Kinderschutz“

Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass besonders in der Ausbildung von sozialpädagogischen Fachkräften und Jurist*innen, aber auch im Medizin- und Pädagogikstudium „Kinderschutz“ als Pflichtfach eingeführt wird?

SPD, CDU, Grüne und FDP sind sich einig, dass in den genannten Studiengängen Kinderschutz als Pflichtfach eingeführt werden soll. Die CDU formuliert dies sogar in ihrem Wahlprogramm. In ihrer Antwort macht die SPD allerdings darauf aufmerksam, dass angesichts des großen Fachkräftemangels an Gerichten, Jugendämtern, Kitas und Schulen die praktischen Probleme groß blieben. „Die Qualifizierung bleibt darum eine langfristige Daueraufgabe“, heißt es in der SPD-Antwort. Die Liberalen wollen Schulpsychologische Beratungsangebote ausbauen und den Erzieher*innenberuf durch eine Ausbildungsvergütung attraktiver machen. Lediglich die Linke ist zurückhaltend und rät, die Einführung von Kinderschutz als Pflichtfach individuell für die verschiedenen Studien- und Ausbildungsgänge prüfen zu lassen.

Jugendämter, Familiengerichte, Arztpraxen, Schulen, Kitas – in all diesen Bereichen arbeiten Menschen mit Kindern und Jugendlichen, die sexualisierte, physische oder psychische Gewalt erfahren haben. „Die wenigsten dieser Berufsgruppen wurden in ihrem Studium oder ihrer Ausbildung in Sachen Kinderschutz qualifiziert“, kritisiert Rainer Rettinger vom Deutschen Kinderverein und fordert daher das Pflichtfach Kinderschutz.

  1. Bessere Ausstattung der Jugendämter

Wollen Sie sich angesichts der Verantwortung des Staates, Kinder und Jugendliche in unserem Land vor Gewalt zu schützen, für die dringend benötigte bessere Ausstattung der Jugendämter in puncto Personalstärke, Digitalisierung und Mobilität einsetzen?

CDU und SPD verweisen auf das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das am 10.06.21 in Kraft getreten ist, in dem die Digitalausstattung und die Anwendung von Personalbemessungsinstrumenten festgeschrieben sind. Da es bei dieser Frage vor allem ums Geld geht, ist der Hinweis der SPD hier wertvoll: Konkret will sie verschuldeten Kommunen durch den Erlass von Altschulden den nötigen finanziellen Spielraum für eine bessere Ausstattung der Jugendämter geben. Die Grünen weisen darauf hin, dass „Erzieher*innen und Lehrer*innen jederzeit systemrelevant“ sind, „diese Wertschätzung sollte sich in ihrer Arbeit, ihrer Bezahlung und in der Ausstattung widerspiegeln“. Die FDP spricht allgemein von Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung, die Linke davon, dass sie sich schon seit langem für eine bessere Ausstattung der Jugendämter einsetzt.

„Auch schon vor der Pandemie arbeiteten die Jugendämter in Deutschland am Limit“, so Rainer Rettinger vom Deutschen Kinderverein. Zu wenig Personal für zu viele Fälle, zu wenige Dienstfahrzeuge, kaum Diensthandys. Im Zuge der Corona-Lockdowns sind diese strukturellen Mängel in den vergangenen Monaten nochmal verschärft zutage getreten. Höchste Zeit, dass sich hier endlich etwas ändert, mahnt Rettinger.

„Alles in allem ist es interessant, wie die Antworten der Parteien ausgefallen sind, wobei die Rückmeldungen von CDU und SPD insgesamt am konkretesten waren“, sagt Rainer Rettinger vom Deutschen Kinderverein. Der Deutsche Kinderverein wird den Dialog, den er durch diese Frage-Antwort-Kampagne aufgenommen hat, mit den politischen Parteien in Berlin nach der Wahl fortführen und sich weiterhin hartnäckig für einen besseren Kinderschutz einsetzen.