Schreien kann nerven. Schütteln kann töten.
Wenige Sekunden zerstören Leben.
Stellen Sie sich vor, ein sechs Meter großer und zwei Tonnen schwerer Riese kommt auf Sie zu, packt Sie an den Schultern, hebt Sie hoch und schüttelt Sie mit all seiner Kraft. Beängstigende Vorstellung? Zu Recht. In etwa dieses Kräfteverhältnis kommt zum Tragen, wenn ein Säugling von einem Erwachsenen geschüttelt wird.
„Drei Sekunden schütteln und ein ganzes Leben ist zerstört“, erklärt Prof. Dr. Michael Tsokos, ärztlicher Leiter der Gewaltschutzambulanz an der Berliner Charité. Gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Saskia Etzold zeigt er die Gefahren des Schütteltraumas bei Säuglingen und Kleinkindern auf. Das Problem: da Kinder in den allerersten Lebensmonaten- und Jahren einen relativ zum Körper sehr großen Kopf und eine noch wenig ausgeprägte Nackenmuskulatur haben, sind die Folgen des Schüttelns verheerend – jedes fünfte Kind überlebt sie nicht.
Die typischen Befunde sind folgenschwer: durch die Scherkräfte beim Schütteln reißen im Kopf des Kindes Blutgefäße. Es kommt zu Blutungen zwischen harter und weicher Hirnhaut und Blutungen im Schädelinneren. Schwellungen und direkte Schädigungen des Gehirns gehören ebenso zu den Auswirkungen des Schüttelns wie Einblutungen in die Netzhäute, Glaskörper und Sehnervenscheiden. Prallt das Kind beim Schütteln noch gegen einen harten Gegenstand kommen offene Wunden und Schädelbrüche hinzu.
In 20 Prozent der Fälle führen die oft komplexen und vielfältigen Schädigungen durch wenige Sekunden Schütteln zum Tod, 34 Prozent der Patienten erleiden schwere Behinderungen wie Lähmungen. Sehstörungen oder gar Erblinden gehören ebenso zu den Folgen wie intellektuelle und kognitive Defizite.
In Planung ist eine präventiv angelegte deutschlandweite Kampagne, die die breite Öffentlichkeit erreicht, aber auch Jugendämter und Geburtskliniken.