Nichts rechtfertigt Gewalt gegen Kinder

Eindringlicher Song von Kim Sanders über ihre Misshandlung zum Weltkindertag

Zum Musikvideo „Father“ von Kim Sanders kommen Sie hier:

 

 

Kim Sanders engagiert sich als Botschafterin des Deutschen Kindervereins e.V. für Kinderrechte und gegen Misshandlung. Die Einnahmen aus dem Verkauf des Songs spendet sie dem Verein. Downloaden kann man „Father“ übrigens auch als Unplugged-Version, auf iTunes und Amazon. Hier geht es zum Download:

itunes: FATHER-Single
itunes: FATHER – Unplugged

Amazon: FATHER-Single
Amazon: FATHER – Unplugged

Mein Name ist Kim Sanders

Mein Name ist Kim Sanders. Ich bin Sängerin und Songwriterin und lebe seit mehr als 25 Jahren in Deutschland. Im Laufe meiner Karriere als Musikerin habe ich einige Songs geschrieben, doch der Titel „Father“ ist etwas Besonderes – er ist ein autobiografisches Zeugnis meiner Misshandlung als Kind. Im Jahr 2004 schickte mir Marcus Brosch, ein Produzent und Kollege, ein Playback. Als ich es zum ersten Mal hörte, fühlte ich sofort eine dunkle, emotionale Präsenz darin. Damals war mir nicht gleich klar, was für eine Präsenz das war. Doch je mehr ich die Musik hörte, desto mehr wurde ich mit meiner sehr schmerzhaften Vergangenheit konfrontiert. Sechs Wochen lang vermied ich es, den Song zu schreiben, weil ich nicht bereit war, mit den Gefühlen umzugehen, die die Musik hervorrief. Marcus ermutigte mich vorsichtig, den Song fertig zu schreiben. So entschloss ich mich, die Gefühle nicht mehr zu unterdrücken und schrieb den Song „Father“.

Mein Stiefvater heiratete meine Mutter und adoptierte mich, als ich ungefähr drei Jahre alt war. Mein leiblicher Vater entschied sich, nicht Teil meines Lebens zu sein, ich traf ihn erst im Alter von 19. Ich bin das älteste Kind in der Familie. Obwohl ich nicht genau sagen kann, wann die Misshandlung begann, kann ich mich an einige Vorfälle erinnern, die im Alter zwischen 6 und 11 passierten. Mein Stiefvater war ein sehr gemeiner, kalter und angsteinflößender Mann. Allein seine Gegenwart rief Schrecken hervor, seine Strafen waren unmenschlich. Gürtel, Verlängerungsschnüre, Ruten von Bäumen und seine Hände waren die Mittel, um seine Strafen auszuführen. Meine Mutter und meine Geschwister waren auch Opfer seiner Gewalt, aber ich hatte immer das Gefühl, dass er mich mehr hasste, da ich nicht sein Kind war. Andere Menschen bemerkten die Spuren und blauen Flecken auf meinem Körper, aber das schreckte ihn nicht ab. Mit den Einschüchterungen und den Misshandlungen gab er mir das Gefühl, nicht geliebt zu werden, ungeschützt und wertlos zu sein.

Am Ende ließ sich meine Mutter von ihm scheiden. Obwohl wir endlich von der körperlichen Misshandlung befreit waren, verfolgten mich die emotionalen Wunden bis ins Erwachsenenalter. Als Jugendliche litt ich unter Depressionen und Magersucht. Die Schule fiel mir schwer und ich fühlte mich nicht zugehörig. Ich war „sonderbar“ und „anders“, also versteckte ich meinen Schmerz hinter Komik. Ich schrieb Tagebuch, Gedichte und begann, Lieder zu schreiben. Die Musik wurde meine Zuflucht. 1989 zog ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern nach Deutschland. Ich war damals 20 und erlebte die Zeit als Neubeginn. Als ich meine Karriere in der deutschen Musikbranche startete, sang ich in einigen erfolgreichen Projekten. Zur gleichen Zeit fing ich an, meine Stimme zu verlieren. Als mir meine Stimmtherapeutin vorschlug, auch eine Psychotherapie in Erwägung zu ziehen, wurde mir die Verbindung zwischen dem Verlust der Stimme und meiner Misshandlung als Kind bewusst. Mit Unterbrechungen war ich 10 Jahre in Therapie. Und obwohl ich ehrlich nicht weiß, ob ich jemals vollständig von meinem Kindheitstrauma geheilt sein werde, möchte ich eine Stimme für diejenigen sein, die nicht für sich selbst sprechen können. Es gibt NICHTS, das ein Kind tun kann, das irgendeine Art von körperlicher Misshandlung rechtfertigt.

FATHER (Worte des Regisseurs)

Wie verarbeiten Kinder erlebte Traumata? Wie verändert es sie, wenn sie um den Schutz und die Liebe, die die Natur für sie vorgesehen hat, betrogen werden? Wenn sie missbraucht, verletzt und in ihrer Würde entwertet werden. Was geschieht mit ihren Seelen? Geht etwas endgültig kaputt, oder überlebt eine Art immanenter, humaner Reflex? Eine Art instinktive Widerstandskraft. Eine natürliche Anlage Empathie und Mitgefühl zu anderen Menschen zu bewahren.

Erwächst aus dem Erlebten unweigerlich das gleiche Fehlverhalten und erzeugt früh erfahrene Gewalt unweigerlich das Unvermögen Recht und Unrecht unterscheiden zu können? Unsere Wahrnehmung als Erwachsene sollte wohl konsequenter hinterfragt werden. Oftmals scheint es, als würden die Kinder als Opfer versachlicht. Lediglich degradiert zu einem Schuld-gefühl, einem Ausdruck des Versagens der Erwachsenen. Verniedlicht und verzerrt durch den Schlüsselreiz des Kindchenschemas. Das generiert schnell den Automatismus des Verdrängens, weil es “unerträglich” ist. Dabei müssten wir uns doch gerade dem Unerträglichen stellen.

Reale, drastische Abbildungen von Verletzungen misshandelter Kinder lassen die Öffentlichkeit eher weg-sehen, ausblenden. Ähnlich den kontrovers wahrgenommenen Schockbildern auf Zigarettenpackungen – stumpfen sie lediglich ab, oder wirken sie tatsächlich emotional? All zu leicht vergessen wir das es sich bei den Opfern um eigenständige Personen handelt. In und für ihre jeweiligen Lebensphasen ausentwickelte Charaktere und Individuen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und Kinder sind die eigentlichen Vorbilder für Menschlichkeit – so lange sie nicht durch das Heranwachsen ihre naturgegebene Unvoreingenommenheit verlieren. Noch immer sind Kinderrechte nicht in unserem Grundgesetzt verankert. Das “Warum” empört und macht sprachlos. Ein Video kann diese Fragen nicht beantworten. Allenfalls kann es ein Nachdenken anregen.

Kim Sander’s Song “Father” ist eine starke und ehrliche Anklage. Direkt spricht sie ihren Vater an, unter dessen Gewalt sie als Kind hat leiden müssen. Die Wut und die Verzweiflung, die stets präsente Gewiss-heit über ihre Kindheit die vom eigenen Vater zerschlagen wurde, prägten ihr gesamtes Leben – bis heute. Es hört nie auf. Damit steht ihr persönliches Schicksal für viele. Und den verratenen und missbrauchten Kindern heute ist diese Belastung für ihr weiteres Leben vorgezeichnet. Die Kinder in dem Film stehen für diese Schicksale – für das zerbrochene und betrogene Leben. Aber auch für die Natur des Menschen und für das was wir zu sehen lernen müssen.

Missbrauch wird nicht zwangsweise sichtbar. Vermeintliche Auffälligkeiten im Verhalten verletzter
Kinder können sehr subtil sein, laufen leicht Gefahr verwechselt zu werden. Oft ziehen sie sich ganz in sich selbst zurück, werden augenscheinlich apathisch. Dabei sind es wohlmöglich nur ihre extrem reduzierten Gemütsregungen. Innerlich aber beobachten sie ihr Umfeld genau. Ängstlich und wachsam. Das Syndrom der Frozen Watchfulness. Aus der Sicht der Erwachsenen leicht als Teilnahmslosigkeit missinterpretiert.

Für den Mut von Kim Sanders, ihr persönliches Schicksal öffentlich zu machen und sich für den Deutschen Kinderverein damit einzusetzen habe ich großen Respekt und Bewunderung. Ich hoffe sehr das ihr Song und das Video viele Menschen erreicht und mit hilft sowohl Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, als auch ein überfälliges Handeln in der Politik zu bewirken.

Besonderer Dank geht an den Kameramann Martin Neumeyer für die großartige Kooperation. Und all mein Respekt und meine Unterstützung für Rainer Rettinger und seinen immensen Einsatz mit dem Deutschen Kinderverein!

Guntram Krasting, Regie