Rechtsmediziner engagieren sich gegen Kindesmisshandlung in Deutschland
Der Deutsche Kinderverein Essen e.V. baut sein deutschlandweites Netzwerk weiter aus: die Berliner Rechtsmediziner Prof. Dr. Michael Tsokos und Dr. Saskia Etzold werden den Verein als Botschafter unterstützen und sich vor allem in gemeinsamen Projekten gegen die Misshandlung von Kindern in Deutschland engagieren.
Prof. Dr. Michael Tsokos, Jahrgang 1967, leitet das Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charité und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Seit 2014 ist er zudem ärztlicher Leiter der Berliner Gewaltschutzambulanz. Michael Tsokos ist Herausgeber rechtsmedizinischer Fachzeitschriften und Autor mehrerer Fachbücher und populärwissenschaftlicher Sachbücher, die allesamt Bestseller waren und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Der Vater von fünf Kindern appelliert an seine Kollegen, vor dem Thema Misshandlung von Kindern nicht die Augen zu verschließen. „Kindesmisshandlung darf im ärztlichen Bereich nicht mehr nur ein Thema in der Rechtsmedizin sein. Ich wünsche mir, dass alle Ärzte verantwortungsbewusst im Interesse und zum Wohle des Kindes handeln.“
Dr. Saskia Etzold, Jahrgang 1980, ist verheiratet und lebt in Berlin. Dort arbeitet sie seit 2007 als Fachärztin im Institut für Rechtsmedizin und seit 2014 als stellvertretende ärztliche Leiterin in der Gewaltschutzambulanz der Charité. Gemeinsam mit Prof. Michael Tsokos veröffentlichte sie in diesem Jahr das Buch „Deutschland misshandelt seine Kinder“ im Droemer Verlag unter ihrem Mädchennamen Guddat. Etzold sieht dringenden Änderungsbedarf im Grundgesetz: „Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Im Grundgesetz ist nicht erwähnt, dass dieses Recht erst ab dem 18. Lebensjahr in Kraft tritt.“
„Wir freuen uns sehr, dass wir Herrn Prof. Dr. Tsokos und Frau Dr. Etzold als Botschafter für uns gewinnen konnten“, erklärte Rainer Rettinger vom Essener Kinderverein. „Wir brauchen keine Kultur des Hinschauens, so wie die Politik es fordert, sondern eine Kultur des Handelns. Deshalb freue ich mich auf gemeinsame Projekte, die hoffentlich dazu führen, dass Kindesmisshandlung in Deutschland in erheblichem Maße reduziert werden kann.“
Dass hier Handlungsbedarf besteht belegt der Verein mit der Polizeistatistik. „Jede Woche sterben in Deutschland drei Kinder an den Folgen ihrer Misshandlung. Jede Woche werden rund siebzig Kinder so massiv malträtiert, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. Das sind 3600 krankenhausreif geprügelte, in die lebenslange Behinderung geschüttelte, mit glühenden Zigaretten verbrannte oder auf andere Weise schwerstgeschädigte Kinder Jahr für Jahr. Und das sind 160 Kinder, die alljährlich bei uns getötet werden – nicht durch Unfälle oder kindlichen Übermut, sondern durch erwachsene Täter – meist Vater oder Mutter oder der Lebenspartner eines Elternteils (Quelle: Tsokos/Etzold – Deutschland misshandelt seine Kinder, Droemer 2014).“
Michael Tsokos und Saskia Etzold schildern aus ihrer rechtsmedizinischen Praxis die dramatischen Gewalterfahrungen von Kindern in ihren Familien. Und sie unterbreiten Vorschläge, wie das deutsche Kinder- und Jugendschutzsystem verbessert werden kann, um das gesetzlich verankerte Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung zu sichern. Vor allem aber fordern sie beherztes Einschreiten gegen Kindesmisshandler – und gegen all jene, die die alltägliche Misshandlung von Kindern durch Wegschauen, Verharmlosen und Tabuisieren begünstigen.