Die UN-Kinderrechtskonvention feiert am 20. November 2014 ihr 25-jähriges Bestehen. Zeit für eine kurze Betrachtung, wie es um die Kinderrechte im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Land der EURO-Zone bestellt ist.
Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, dem die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) beigetreten ist. Sie steht im Rang eines Bundesgesetzes und gilt nach der Rücknahme der sog. Vorbehaltserklärung am 15.07.2010 durch die Bundesregierung unbeschränkt.
Damit ist die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann sie u.a. als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte des Grundgesetzes herange-zogen werden. Die Wertungen des Übereinkommens sind aufzunehmen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG – Beschluss vom 05.07.2013 – 2 BvR 708/12).
Wir können uns also beruhigt zurücklegen. Die Rechte von Kindern sind in unserem Land umfassend gewährleistet – oder etwa nicht?
Ende des vergangenen Jahres prüfte der UN-Fachausschuss für die Rechte des Kindes den 3. und 4. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zur UN-Kinderrechtskonvention. In seinem Bericht vom 5. Februar 2014 hat der UN-Ausschuss einen deutlichen Appell an Bund und Länder gerichtet, den Kinderrechten mehr politisches Gewicht zu verleihen. Zwar seien gewisse Fortschritte zu erkennen, doch müssten die sich aus der UN-Kinderrechtskon-vention ergebenden Verpflichtungen konsequenter verfolgt und insbesondere benachteiligte Kinder stärker gefördert werden.
Lang ist die Liste der Versäumnisse und der hiermit korrespondierenden Forderungen des UN-Ausschusses. Die wichtigsten Aufgaben betreffen die konsequente Bekämpfung der Ursachen von Kinderarmut sowie die Bereitstellung von Mitteln für die Förderung benach-teiligter Kinder.
Mehrfach hatte der UN-Ausschuss die Bundesregierung bereits aufgefordert, die Kinder-rechte in das Grundgesetz aufzunehmen. In seinem jetzigen Bericht wird diese Forderung ein weiteres Mal erhoben. Zu Recht, wie der fast peinlich zu nennende Umgang mit dieser Frage zeigt:
So hat es bereits in der vergangenen Legislaturperiode eine Initiative einer Bundestagsfraktion gegeben, die Kinderrechte im Grundgesetz festzuschreiben. Ein entspre-chender Gesetzentwurf wurde in der Plenarsitzung vom 30.11.2012 in 1. Lesung beraten und wurde alsdann an den federführenden Rechtsausschuss weiter verwiesen. In den Basisinformationen über den Vorgang des Deutschen Bundestages findet sich allerdings zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens der Vermerk: „Erledigt durch Ablauf der Wahlperiode“
Schlimmer noch: In einer Beantwortung einer Kleinen Anfrage von Abgeordneten des Deutschen Bundstages erklärt die Bundesregierung zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz, dass Politik, Fachwelt und Zivilgesellschaft in den vergangenen Jahren intensiv über die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz diskutiert hätten. In dieser Diskussion sei deutlich geworden, dass die im Grundgesetz enthaltenen Grundrechte in Verbindung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Leitlinien die Rechte von Kindern bereits mit einschlössen.
Kurz gesagt: Nach Auffassung der Bundesregierung besteht kein Handlungsbedarf. Und dies, obwohl das Bundesverfassungsgericht in der o.a. Entscheidung die UN-Kinder-rechtskonvention unter dem Vorbehalt der methodischen Vertretbarkeit nur als Auslegungs-hilfe für die Bestimmung und die Reichweite von Grundrechten qualifiziert.
Kinderrechte gehören ins Grundgesetz. Dass Kinder eine eigenständige Würde und Persönlichkeit besitzen, ist nicht vollständig in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen zur Kenntnis genommen worden. Existenz und Inhalte der UN-Kinderrechtskonvention sind bisweilen selbst einschlägigen staatlichen Stellen nicht im Detail bekannt. Auch in der Rechtspraxis fristen die Regelungen der Konvention ein Schattendasein.
Eine Grundgesetzänderung hätte hier zweifellos eine erhebliche Signalwirkung– sowohl in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Rechten der Kinder, als auch bei der Beurteilung von Schutz- und Teilhaberechten von Kindern und Jugendlichen durch Jugendämter und Gerichte.
Ulrich Herzog, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Eschweiler