Verdacht auf Misshandlung eines Kindes darf gemeldet werden

Hat ein Kinderarzt den begründeten Verdacht, dass ein Kind misshandelt wird, darf er das Jugendamt einschalten ohne gegen seine ärztliche Schweigepflicht zu verstoßen. Das stellte der Frankfurter Rechtswissenschaftler Professor Ludwig Salgo nach einem Bericht der Ärztezeitung auf dem deutschen Kinder- und Jugendärztetag 2016 vor 800 Teilnehmern klar. Rechtsgrundlage sei das Bundeskinderschutzgesetz von 2012, dessen Regelungen jedoch – so Salgo – noch zu unbekannt seien. „Sie müssen nicht mehr so ängstlich sein“, erklärte Salgo gegenüber den Kinderärzten. Wie die Ärztezeitung weiter berichtet, hätten Ärzte nun bei „gewichtigen Anhaltspunkten für Kindeswohlgefährdungen so große Beurteilungsspielräume, dass diese in der Regel bei einer Klage juristisch kaum noch anfechtbar seien.“

Der Deutsche Kinderverein mit Sitz in Essen begrüßt die Bestrebungen, die Möglichkeiten des Bundeskinderschutzgesetzes besser bekannt zu machen und auch zum Wohl und zur Sicherheit unserer Kinder voll auszuschöpfen. „Die aktuelle Polizeistatistik mit 130 getöteten Kindern und fast 4.000 Opfern körperlicher Misshandlungen zeigt leider allzu deutlich, wie sehr wir in Deutschland wirksamere Instrumente zur Prävention benötigen“, sagt Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Vereins. „Die Lockerung der Schweigepflicht für Ärzte ist ein erster wichtiger Bestandteil dieser Prävention“, so Rettinger.

Angesichts der stabil hohen Missbrauchszahlen in Deutschland sieht es der Kinderverein als Aufgabe der Politik, für Berufsgruppen die mit Kindern arbeiten ein rechtssicheres Arbeitsumfeld zu schaffen in dem es möglich ist, Verdachtsfällen nachzugehen. „Durch entsprechende Aus- und Fortbildung müssen Kinderärzte, Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen aber erst in die Lage versetzt werden, die Anzeichen zu erkennen und einzuordnen“, stellt Rainer Rettinger fest.